Aktuelle Entwicklungen des Themas „Nachhaltigkeit“ bei der Fremdkapitalfinanzierung

Mit Blick auf die im Pariser Klimaabkommen definierten Zielgrößen („Green Deal“) ist die deutsche Wohnungswirtschaft in mannigfacher Weise gefordert, Strategien zur Entwicklung eines „nachhaltigen“ Immobilienbestandes zu konzipieren und in den kommenden Jahren im Rahmen tragfähiger Geschäftsmodelle weiter umzusetzen. Die zunehmende Regulierung auf nationaler und EU-Ebene, der öffentliche Diskurs zum Klimaschutz und das erhebliche CO2-Reduktionspotenzial der Branche mit Blick auf das Erreichen der Klimaneutralität verleiht dem Thema zukünftig eine noch deutlich höhere Dynamik. Die Entwicklung und Umsetzung eines Dekarbonisierungspfades im Hinblick auf einen klimaneutralen Gebäudebestand bis zum Jahr 2045 ist ohne Zweifel die herausragende Aufgabe im Bereich „Environment“. Die stark genossenschaftlich und kommunal geprägte Wohnungswirtschaft trägt die Komponente „Social“ schon allein aufgrund ihrer Statuten in ihrer DNA; die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten. Die neue Richtlinie zur Berichterstattung von Nachhaltigkeit in Unternehmen, Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) bringt klar definierte Standards mit sich und ist integraler Bestandteil der Säule „Governance“. Die Finanzierung der Geschäftsaktivitäten stellt in diesem Transformationsprozess der Wohnungsunternehmen eine erfolgskritische Größe dar.

Regulatorische Grundlagen auf nationaler und EU-Ebene

Der Weg zu einer europäischen ESG-Regulatorik hat seinen Ausgangspunkt im Pariser Klimaabkommen. Mit der teilweisen Einführung der EU-Taxonomie zum 1. Januar 2022 ist ein Werkzeug geschaffen worden, welches gleichzeitig mehrere Funktionen erfüllen soll. Einerseits wird einheitlich definiert, was eine nachhaltige Investition ausmacht. Neben der Definition von sechs Hauptzielen besteht nunmehr ein Klassifizierungssystem, welches die Wirtschaftsaktivitäten im Hinblick auf ihre Nachhaltigkeit einordnen kann.

Inhaltliche Verzahnung von Anforderungen an die Immobilienwirtschaft und Finanzunternehmen

Andererseits werden verbindliche Anforderungen an Wirtschafts- und Finanzunternehmen, z.B. bei den Offenlegungspflichten, formuliert. Das Ergebnis ist eine inhaltliche Verzahnung von Anforderungen an die Immobilienwirtschaft und Finanzunternehmen. Neben den direkten Anforderungen an Wohnungsunternehmen ergeben sich im Zeitablauf, u.a. im Kontext der Finanzierungsaktivitäten, indirekte Auswirkungen aufgrund spezifischer Datenanforderungen der Kreditgeber an die Unternehmen.

Die politische Willensbildung bei der Ausgestaltung der EU-Gebäuderichtlinie erschwert dabei die Geschäfts- und Finanzierungsplanungen der Wohnungsunternehmen

Die nachfolgende Grafik zeigt die wesentlichen Meilensteine im Hinblick auf die Schaffung nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten in Zusammenhang mit der Etablierung einer damit einhergehenden ESG-konformen Finanzwirtschaft.

Wesentliche Meilensteine der ESG-verbundenen Regulatorik

Es besteht die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für alle großen Unternehmen ab dem Berichtsjahr 2025. Es wird derzeit beraten, die Einordnung der Größenklassen (siehe §§ 267 f. HGB) um 25 Prozent anzuheben. Es ist davon auszugehen, dass auch kleine Unternehmen, die unterhalb dieser Größenkriterien liegen, indirekt von der Notwendigkeit einer Nachhaltigkeitsberichterstattung durch Einführung des Leistungsindikators „BTAR“ auf der Bankenseite betroffen sein werden. 

Wesentliche Bausteine einer nachhaltigen Immobilienwirtschaft 

Finanzierungsaspekte

Die Wohnungswirtschaft als kapitalintensive Branche ist in besonderer Weise bei der Finanzierung auf Banken, Finanzinvestoren und Intermediäre angewiesen. Die Transformation der deutschen Wohnungswirtschaft in Richtung EU-Taxonomie-Konformität wird in den kommenden Jahren erhebliche Investitions- und damit Finanzierungserfordernisse auslösen.   Damit kommt gerade der Schaffung der Finanzierungsfähigkeit der derzeit nicht EU-Taxonomiefähigen Immobilienbestände eine sehr große Bedeutung zu. Es sind perspektivisch folgende Entwicklungen erkennbar:

1. Keine Beschränkung auf öffentlich bedeutsame Wohnungsunternehmen

Die Einführung der GAR/BTAR für Banken sowie die CSRD/ESRS zielen darauf ab, den relevanten Anwenderkreis bei den Wirtschaftsunternehmen deutlich auszuweiten. Es ist zu erwarten, dass neben großen Unternehmen, die ab 2025 entsprechende Nachhaltigkeitsberichte erstellen müssen, kleine und mittlere Unternehmen ebenso entsprechende Daten zur ESG-Konformität ihrer Wirtschaftsaktivitäten bereitstellen müssen.

2. Berücksichtigung von ESG-Risiken bei der Kreditvergabe der Banken: Einengung der Finanzierungsportfolios auf ESG-konforme Objekte

Bekanntlich wird der Großteil der externen Finanzierung durch Banken dargestellt. Dabei werden diese mit einer Vielzahl von regulatorischen und marktbedingten Änderungen konfrontiert. So erwartet die EZB eine sukzessive Integration der klima- und umweltbezogenen Risiken in das Risikomanagement bis spätestens Ende des Jahres 2023. Viele Banken haben sich verpflichtet, ihre Kredit- und Investmentportfolios bis 2050 an den Pariser Klimazielen auszurichten und die Treibhausgasemissionen vollständig aus ihren Bilanzen zu tilgen. Auf Basis des Aufbaus eines ESG-konformen Finanzierungsportfolios ist bereits zu erkennen, dass sich einzelne Kreditgeber schon heute zum Teil auf die Finanzierung von Objekten mit guten Energieeffizienzklassen (A-C) fokussieren. Es ist absehbar, dass Gebäude ohne energetische Sanierung bzw. ohne einen zukünftig nachvollziehbaren, konkreten Sanierungspfad nicht mehr als Beleihungsobjekte akzeptiert werden. Einzelne Finanzierungspartner lehnen bereits heute Gebäude mit Energieeffizienzklassen „G“ und „H“ als Beleihungsobjekte ab. Diese Entwicklung macht deutlich, dass eine eng verzahnte Zusammenarbeit mit den Finanzdienstleistern und den kreditfinanzierenden Banken in der Finanzierung des Transformationsprozesses unabdingbar ist. Dabei werden ein professionelles Beleihungsmanagement und die Diversifizierung der Finanzierungspartner und -instrumente für die Wohnungswirtschaft noch mehr an Bedeutung gewinnen.

3. Steigende Anforderungen an Objektinformationen

Die Finanzierbarkeit von Objekten wird in Zukunft die Bereitstellung von ESG-Daten in deutlich höherem Maße voraussetzen. Dazu gehören Nachhaltigkeitszertifikate, Energieausweise, CO2-Emissionen und die objektbezogene „ESG-Strategie“. Die Erhebung standardisierter und  relevanter ESG-Daten zum Nachweis der EU-Taxonomie-Konformität der Investititionen wird damit unabdingbar.

4. Intensivierung der Finanz- und Nachhaltigkeitskommunikation

Es ist erwartbar, dass sich die Kommunikation mit den Finanzierungspartnern für die Wohnungswirtschaft verändern wird. Die Bereitstellung von Bonitätsinformationen, insbesondere auch die Entwicklung der Liquiditätssituation, werden an Bedeutung zunehmen. Die Erläuterung der Liquiditätseffekte aus ESG-Projekten oder die Verteilungseffekte aus der Einführung des Kohlendioxidkostenaufteilungsgesetzes sind dabei nur zwei Beispiele. Darüber hinaus ist bereits heute eine Intensivierung der Kommunikation zwischen Unternehmen und Bank zu Nachhaltigkeitsthemen zu beobachten. Diese erfolgt häufig auf Basis von Fragebögen und quasi als Vorgriff auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung für große Wohnungsunternehmen ab dem Jahr 2026. Damit wird die Ableitung und Kommunikation einer vollständig in die Wirtschafts- und Liquiditätsplanung integrierten ESG-Strategie eine Voraussetzung zur Finanzierung des Transformationsprozesses der Branche.

5. Preisdifferenzierung der Finanzierungskosten

Derzeit ist eine Differenzierung der Finanzierungskosten im Markt (noch) nicht erkennbar. So zeigt beispielsweise der mittlerweile gut entwickelte Markt für die Emission grüner Pfandbriefe von Hypothekenbanken keine erkennbaren Refinanzierungskostenvorteile. Im Bereich der kapitalmarktorientierten, unbesicherten Finanzierungsinstrumente (z.B. ESG-linked Schuldscheindarlehen) sind dagegen bei Erreichen/Nicht-Erreichen definierter ESG-Kriterien Zinskostenanpassungen über ein Bonus-Malus-System durchaus marktüblich. Es ist davon auszugehen, dass die Bankenregulierung den Trend zu einer vom EU-Taxonomie-Konformitätsgrad abhängigen Kapitalunterlegung einschlagen wird. Damit würden die Finanzierungströme überwiegend in ESG-konforme Investitionen fließen. Die Finanzierbarkeit aller übrigen Wirtschaftsaktivitäten würde dann eingeschränkt und nur mit „Risikoaufschlägen“ erfolgen.

Die nachfolgende Abbildung zeigt den aktuellen Stand der Integration der ESG-Kriterien in die Ausgestaltung der in der Wohnungswirtschaft genutzten Finanzierungsinstrumente:

Grad der Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in Finanzierungsinstrumenten der deutschen Wohnungswirtschaft

Es ist erwartbar, dass die genannten Finanzierungsinstrumente in ihrer Ausgestaltung fortlaufenden Änderungen ausgesetzt sind. Derzeit wachsen die Angebote der Banken für „nachhaltige“ Kapitalmarktdarlehen. Hier liegen die Herausforderungen insbesondere in der Transparenz und Effizienzsteigerung der Kreditprozesse. Verschiedene Unternehmen haben ihre Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Zertifizierung der EU-taxonomie-konformen Finanzmittelverwendung, z.B. in den Bereichen Neubau und Bestandssanierung, deutlich ausgeweitet. So entstehen derzeit eine Reihe von digitalen Plattformen, die die regulatorische Beurteilung der Wirtschaftsaktivitäten in der Zusammenarbeit von Unternehmen und ihren Finanzierungspartnern ermöglichen. Die Dr. Klein Wowi Finanz AG hat im Rahmen einer Projektgruppe unter Einbindung der Wohnungswirtschaft und des GDW erste Vorschläge entwickelt, wie Finanzierungsanfragen im Rahmen eines digital gestützten „EU-Taxonomie Pre Checks“ auf vergleichsweise einfache Weise den Finanzierungsprozess unterstützen können.

Bei den Kapitalmarktfinanzierungen wird in den kommenden Jahren ein EU Green Bond Standard eingeführt, der das Emissionsvorgehen für EU-Taxonomie-konforme Anleihen vorgibt. Derzeit erfolgen die Emissionen den Standards der ICMA (Green Bond Principles) entsprechend.

Schuldscheindarlehen und Anleihen haben trotz der derzeit schwierigen Marktsituation als Instrumente der unbesicherten Unternehmensfinanzierung perspektivisch im Kontext des Transformationsprozesses eine besondere Bedeutung. Bedingt durch die „freie“ Mittelverwendung und die Schonung der Beleihungsreserven erweitern diese die Finanzierungsflexibilität der Emittenten. ESG-konforme Schuldscheindarlehen nehmen dynamisch an Bedeutung zu und machen im laufenden Jahr mehr als 50 Prozent der Jahrestransaktionsvolumina aus.

Ausblick

Auf der Finanzierungsseite gilt es, im Sinne der Optimierung der Finanzierungskosten und der Ermöglichung des ESG-Transformationsprozesses alle Finanzierungsinstrumente auf ihre zukünftige Eignung und Nutzbarkeit zu überprüfen sowie dabei die indirekten Wirkungen auf das jeweilige Wohnungsunternehmen aufgrund der Regulierung der Finanzmarktteilnehmer im Auge zu behalten. Finanzierungspartner sowohl auf der Banken- als auch auf der Versicherungsseite haben bereits begonnen, ihre Finanzierungskriterien im Hinblick auf die Einhaltung definierter ESG-Kriterien durch die Wohnungsunternehmen unter erhöhten, geforderten Transparenzstandards anzupassen. Diese Entwicklung wird sich perspektivisch aus den gezeigten Gründen weiter verstärken.

Autoren

Christian Fuest

Christian Fuest

Leiter Strukturierte Finanzierungen und Spezialist für Kapitalmarktfinanzierungen bei Dr. Klein Wowi Finanz AG

Henning Rebitz

Henning Rebitz

Leiter Finanzierungsmanagement und Partnermanagement Wohnungswirtschaft bei Dr. Klein Wowi Finanz AG

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